Kein Wein mehr vom Paterberg? | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Gerodete Flächen am Niersteiner Weinberg

Kein Wein mehr vom Paterberg?

Dort wo bis Herbst 2022 herrschaftliche, bis zu 35 Jahre alte Weinreben, jedes Jahr die Trauben für verschiedene Weine aus der südlichen Niersteiner Weinlage wuchsen, herrscht nun gähnende Leere.

Flurbereinigung lautet die Begründung, wie Hans Raddeck, Vorsitzender der Teilnehmergemeinschaft für die Flurbereinigung, eindrucksvoll an Plänen erläutert und damit gleichzeitig bestätigt, dass es natürlich auch zukünftig Weine aus dieser Lage geben wird.

Weinbau hat in Nierstein eine lange Tradition und gehört mit ca. 900 ha Rebfläche zu eine der größten Weinbaugemeinden in Deutschland. Mit der durch Napoleon eingeführten Realteilung vor über 200 Jahren sollten alle Nachkommen gleichermaßen Anteile durch das Erbe bekommen. Dadurch sind nach und nach immer kleinere Parzellen in den Weinbergen entstanden. Bis vor ca. 50 Jahren wurden diese noch mit Pferden und vieles in Handarbeit bewirtschaftet. Doch die Entwicklung des europäischen Marktes sowie die Technologisierung, beispielsweise durch die Einführung der Schmalspurschlepper, veränderte in den 70er Jahren alles. Der Druck auf die Weinpreise war enorm und somit musste man sich Gedanken über eine nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur für die heutige Technik machen, um damit auch zukünftig wirtschaftlich Wein produzieren zu können.

Es dauerte noch bis 2002 als endlich die Weinbergsbesitzer mit überwältigender Mehrheit in ihrer Mitgliederversammlung die Umsetzung der Strukturverbesserung beschlossen. Von den 7 Bereichen wurden bereits 4 nördlich und westlich von Nierstein abgeschlossen. Mit der 5. Fläche im südöstlichen Teil des Paterbergs stehen nun die nächsten ca. 86 ha an. Die angrenzenden Ortsrandlagen werden als mögliches Bauerwartungsland nicht mit einbezogen und deshalb stehen hier weiterhin die Reben. Nach Abzug der Wege bleiben noch ca. 50 ha, die in aufwendigen Boden Beprobungen in einem Raster von 25m und bis in eine Tiefe von 80cm untersucht und kartographiert werden. Für die Bewertung der Lagen werden auch weitere Faktoren wie Seitenlage, Windeinflüsse und Verschattungen durch Baumbestand untersucht. Daraus ergibt sich ein Umrechnungsschlüssel als Bemessungsgrundlage für die neu zugeordneten Flächen.

Mit der Flurbereinigung wird sich teilweise das Wegenetz ändern. Einige Wege entfallen, neue werden geschaffen. Auch hier wird es zukünftig ein Mix von versiegelten und wasserdurchlässigen Wegen geben. Zudem werden 10 bis 15% der Fläche als Ausgleichsflächen für Fauna, Flora und Tierwelt geschaffen. Hier werden 100 neue Bäume gepflanzt. Der beliebte Aussichtspunkt mit Bänken und Tischen wird auf jeden Fall wieder entstehen, so Hans Raddeck.

Für die Winzer gibt es im Übrigen keine Entschädigung, denn die normale Lebenszeit eines Weinbergs beträgt 30 bis 35 Jahre und muss dann ohnehin komplett neu angelegt werden. Durch die Flurbereinigung wird dieser Vorgang nun als ein Schritt für alle durchgeführt. Vom Ergebnis profitieren am Schluss alle, denn die neuen zusammenhängenden Lagen werden durch Geländeanpassungen und Drehung der Zeilenausrichtung wirtschaftlicher zu bearbeiten sein.

Bis zum 28. Februar müssen auch die letzten Zeilen gerodet sein. Dann geht der ganze Bereich an das Land über. Bereits Mitte März werden die ersten schweren Baumaschinen anrücken. Bis Frühjahr 2024 soll alles fertig sein. Dann werden die neuen Reben gepflanzt, die dann hoffentlich 2 Jahre später den ersten Ertrag bringen.

Ab 2025 beginnt der 6. Abschnitt der Flurbereinigung im südwestlichen Teil des Paterbergs bevor 2028 der 7. und letzte Abschnitt nördlich des Radwegs den Abschluss der Maßnahme bildet.

Dann werden nicht nur die Flächen neu geordnet sein, sondern in Summe ca. 500 zusätzliche Bäume und neue Ausgleichsflächen einen wesentlichen Anteil für den Naturschutz bringen. Auch die Bevölkerung und die Gäste in Nierstein werden auf ausgeschilderten Wanderwegen und im Schatten der Bäume die Schönheit der Region und vor allem deren Wein genießen können.