Die angekündigte 3-monatige beidseitige Teilsperrung der mittleren Spuren der B9 zwischen Laubenheim und Nackenheim im Spätsommer 2023 hat verständlicherweise viele Pendler in Aufruhr versetzt. Rheinselz-Highlights (RSH) hat nun einige Detailfragen gestellt, die umgehend und sehr ausführlich vom Dienststellenleiter des LBM Worms, Bernhard Knoop, beantwortet wurden.
In der Baumassnahme müssen die Betonwände, welche beide Fahrtrichtungen voneinander trennen, komplett ausgetauscht werden. Aufgrund geänderter Regelwerke können die Betonwände nicht mehr saniert werden.
1. Können Sie weitere Details zur Regeländerung mitteilen?
In den Jahren 2002 und 2005 waren bei Planung und Ausführung von Fahrzeug-Rückhaltesystemen an Bundesautobahnen und Bundesstraßen die „Richtlinien für passive Schutzeinrichtungen an Straßen (RPS), Ausgabe 1989“ gemäß Rundschreiben des Bundesverkehrsministeriums einzuhalten. Auf Grundlage der RPS 89 mit Ergänzungen aus 1996 wurden u. a. in Mittelstreifen Schutzeinrichtungen gefordert, die zur Reduzierung des „Durchbruchrisikos“ abirrender Fahrzeuge und damit zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im Regelwerk definierten Aufhaltestufen entsprechen müssen. Damals war die Aufhaltestufe H1 gefordert.
Anfang der 2000er Jahre wurde auf Basis der europäischen Norm DIN EN 1317 -Rückhaltesysteme an Straßen- die RPS 1989 überarbeitet. Als Ergebnis der Überarbeitung wurde die „Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS), Ausgabe 2009, mit Rundschreiben des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS, heute: BMDV) vom 20. Dezember 2010, eingeführt. Das Anforderungsniveau wurde gerade bei Schutzeinrichtungen im Mittelstreifen im Interesse unser aller Sicherheit im Straßenverkehr in den RPS 2009 verschärft. So war u. a. ab diesem Zeitpunkt bei anstehenden Erneuerungen oder Neubau eine höhere Aufhaltestufe im Mittelstreifen einzuhalten.
Die vorhandene Betongleitwand der vierstreifigen B 9 zwischen Mainz-Laubenheim und Nackenheim ist wirtschaftlich nicht mehr zu sanieren und auf Grundlage des einschlägigen aktuellen Regelwerkes durch ein neues Rückhaltesystem zu ersetzen. Die Entscheidung eines Variantenvergleiches auf Grundlage einer gutachterlichen Untersuchung vom Mai 2021 zwischen der Sanierung der vorhandenen Betongleitwand, dem Ersatz durch eine neue Betongleitwand und einem System aus Stahlschutzplanken fiel im vorliegenden Fall der B 9 auf Stahlschutzplanken.
2. Was ist an dem neuen Regelwerk entscheiden anders was so eine Maßnahme erforderlich macht?
Die Einhaltung einer höheren Aufhaltestufe im einschlägigen Regelwerk RPS macht wegen der vorhandenen Schäden der bestehenden Betongleitwand eine Erneuerung unumgänglich.
3. Wann wurde die bisherigen Mittelbetonwand erstellt? Gefühlt ist das noch gar nicht so lange her.
Die Betongleitwand wurde vor über 20 Jahren in zwei Bauabschnitten in den Jahren 2002 und 2005 neu hergestellt.
4. Augenscheinlich befindet sich die Mittelbetonwand in einem guten Zustand? In Zeiten von Kostensteigerungen und Einsparmaßnahmen sollte es doch eine Art Bestandsschutz geben um eine intakte Installation zu einem späterem Zeitpunkt auszuführen. Können Sie hierzu weitere Informationen geben?
Die bestehende Betongleitwand weist Bruchstellen und in ihrem Verlauf seitliche Verschiebungen in der Längsflucht auf. Zugleich ist die fortlaufende Längsbewehrung (Betonstahl) von Korrosion betroffen. Aus dem bereits genannten Gutachten vom Mai 2021 (Antwort zu Ihrer Frage 01) geht hervor, dass die Wand wegen des Schadensbildes erneuert werden muss.
Die vorhandenen Schäden und die Verschiebungen fallen dem Verkehrsteilnehmer während der Fahrt aus dem Fahrzeug heraus im ersten Moment nicht direkt ins Auge. Insofern achten Sie bitte selbst bei einer Ihrer nächsten Fahrten gezielt auf die Betongleitwand.
Bei Begutachtung vor Ort sind die Schäden sehr deutlich zu erkennen (siehe nachfolgende Fotos).
Ursache der Schäden sind Einflüsse durch Witterung, Frost- und Tausalz, Anfahrschäden durch Kfz-Verkehr sowie temperaturbedingte Längenänderungen.
Der LBM Worms hat in der gutachterlichen Überprüfung Varianten von einer Sanierung bis zur Erneuerung technisch und wirtschaftlich verglichen. Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass der Ersatz der Betongleitwand durch Stahl-Schutzplanken die wirtschaftlichste Variante ist. Ausschlaggebend ist der sehr schlechte Zustand der vorhandenen Betongleitwand und der damit verbundene, sehr hohe Aufwand einer Sanierung und Anpassung an die aktuellen Anforderungen des Regelwerkes für Schutzeinrichtungen in Mittelstreifen.
5. Die Maßnahme ist für den Spätsommer angekündigt, also vermutlich nach den Sommerferien. Warum kann dies, in Anbetracht der hohen Verkehrszahlen, nicht auf die Sommerferien gelegt werden?
Der Zeitbedarf für die Planung, die Voruntersuchungen und die Vorbereitung, wie auch die Erstellung der Unterlagen für die öffentliche Ausschreibung neben der Vorbereitung weiterer Bauvorhaben im Zuge von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen führten im Ergebnis bei den verfügbaren Personalkapazitäten zum anstehenden Baustart im Spätsommer. Eine Umsetzung in nur sechs Ferienwochen ist bautechnisch nicht möglich.
Weiterhin müssen auch aus bautechnischen Gründen die beiden linken Fahrspuren (Überholspuren) in Nord- und Südrichtung über die komplette Länge von ca. 5,5 Kilometer gesperrt werden. Die Sperrung führt etwa zu einer Halbierung der Bauzeit im Vergleich zum Bauen in mehreren, kleineren Bauabschnitten.
Vielen Dank an Herrn Bernhard Knoop für die ausführliche Stellungnahme.