Ein Situations-Bericht von Silvi Vatter (Redaktion RheinSelz-Highlights und Edita & Emil).
Die Eventbranche steht still und das seit fast einem Jahr. Zwischenzeitlich konnte man im Sommer bis Herbst kleine Veranstaltungen durchboxen. Das hat viel Zeit, Aufwand und Geld gekostet, da man ja umrüsten und aufrüsten musste. Hygieneauflagen, Personenerfassung und das ganze Gedöns um sicher zu feiern.
Uns allen fehlt das Beisammensein, Freunde treffen, Konzerte, Gastro und ja die Weinfeste, aber sowas von. In den wenigen Monaten, die zur Verfügung waren, konnte nicht soviel Umsatz eingefahren werden, damit man locker sagen kann: „Ach, dann bleiben wir halt wieder zuhause und legen die Füsse hoch!“ Nein, man arbeitet noch mehr für weniger Geld oder hat oft sogar keine Umsätze. Naja, es fehlen auch der Finanzkasse erhebliche Steuereinnahmen durch diesen Wirtschaftszweig. Mit einem jährlichen Umsatz von 130 Mrd. EUR und rund 1,5 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Eventbranche der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland.
Jap, heftig oder? Viele Berufsgruppen gehören dazu. Bühnenbau, Licht und Ton, Caterer, Musiker, Sicherheitspersonal, Reinigungspersonal, Getränkelieferanten und auch die Winzer darf man nicht vergessen. Das sind nur einige davon. Leider werden es viele nicht schaffen durchzuhalten finanziell und auch die Psyche leidet darunter und das sehr. Man macht diesen Job aus Passion, man liebt das was man tut und hat absolutes Berufsverbot. Support vom Staat? Eher schlecht als recht. Ich will es mal so ausdrücken, direkt und unverblümt. Man kann nicht soviel essen, wie man kotzen könnte. Sorry für die Wortwahl, aber so ist es leider.
Wer Rheinselz-Highlights kennt, weiß das Firmenchef Michael Köster auch bekannt ist für zahlreiche, coole Events in Rheinhessen.
Mit der Veranstaltungsagentur MKon gab es Konzerte und tolle Wein-Events in Nierstein und Oppenheim. Genau, es gab. Hier auch alle Einnahmen gleich null. Sein Betrieb erhält zwar Unterstützung durch Kurzarbeit, aber bei der berühmten November- und Dezemberhilfe ist es eben durch das Raster gefallen. Liegt daran, dass sie ein „Mischunternehmen“ sind. Das heißt, bisher reichen die Hilfen nicht wirklich aus. Er ist gespannt, wie es mit der Überbrückungshilfe III aussehen wird, wenn es sie dann für sein Unternehmen gibt.
Er und sein Team müssen jeden Tag aufs Neue kämpfen und sich neue Lösungen überlegen. Lösungen, wie es weiter gehen kann und soll. Aber genau das zeichnet die MKon GmbH aus: „Wir geben nicht auf und entwickeln permanent neue Projekte. Wie bspw. den Niersteiner Eventsommer im letzten Jahr oder auch den neuen Weinstand in Kooperation mit dem Niersteiner Verkehrsverein. Als alles abgesagt wurde wegen Corona, haben wir neue Events und Erlebnisse angekündigt und dann auch durchgeführt“, so Michael Köster.
Ihm fehlt das „echte Leben“. Endlich wieder raus aus den Agenturräumen und der Region sowie den Menschen reell und nicht im Netz etwas bieten können.
Für 2021 ist eine Menge bei MKon geplant (wir berichteten), zwar erstmal für die Schublade, aber Köster schaut auch weiterhin nach vorne. Was könnte die Regierung denn verbessern? Unbürokratisch jetzt mal richtig unter die Arme greifen! Die Eventbranche ist (oder war es bis kürzlich) die sechstgrößte Branche Deutschlands und es hängen eine Millionen Arbeitsplätze davon ab. Die Branche wurde als erstes auf „0“ gefahren und wird die letzte sein, die wieder öffnen darf. Auch die Verbraucher können supporten. Wenn die Veranstalter wieder Events anbieten können, kauft bitte Tickets und helft damit. MKon hat schon im letzten Jahr absolut Corona-sichere Veranstaltungen aufgebaut und hatte die ausgefeiltesten Hygiene- und Abstandskonzepte.
Events ohne Livemusik wären eine traurige Sache. Musiker Chris Stockert lebt für seinen Job und verdient mit der Musik sein Geld.
„In der Politik ist es wie im Konzert: Ungeübte Ohren halten das Stimmen der Instrumente schon für Musik. (Fanfani). Ohne eine Lobby in der Politik wird sich für die Kultur- und Eventbranche nicht viel ändern und wir haben mit Hürden zu kämpfen die so hoch sind, dass diese für die meisten von uns unüberwindbar sind“, so erzählt er. Nach seiner Meinung wurde mit den „Corona-Sofort-Hilfen“, von der sich damit selbst auf die Schulter klopfenden Politik, komplett an der Branche vorbeigeplant. Wie das wohl bei 90% seiner Kollegen/innen auch der Fall ist, kann er keine, der vom Staat so hoch angepriesenen und „wohlwollenden“ Zuwendungen, beantragen. Die Hilfe darf nur für betriebliche Aufwendungen eingesetzt werden und nicht für Lebenshaltungskosten wie Miete, Versicherungen oder gar Lebensmittel. Auch bei der Nachbesserung der Anträge schaut die Mehrheit immer noch in die Röhre. Nur ein Beispiel von vielen: Da ein Großteil, so wie er auch, noch einen Teilzeitjob angenommen hat, steht ihnen nach Auffassung der entscheidenden Politiker keine Hilfe zu. Obwohl sie die überwiegende Mehrheit der Einnahmen aus der musikalischen Haupttätigkeit erwirtschaften und Steuern dafür entrichten. Leider entsteht nach außen hin der Eindruck, dass die Kulturbranche im Ganzen vom Staat großzügig unterstützt wird. Nein. Dem ist nicht so.
Chris Stockert hält sich mit Streams und anderen Aktionen über Wasser. Da er noch als Grafiker arbeitet kann er hier immerhin etwas Umsatz in einem anderen Berufszweig generieren. Das ist trotzdem nicht soviel, dass er damit gut leben könnte. Eventplanung für 2021 ist schwierig und da muss wieder „spontan“ geschaut werden, was darf gemacht werden und wie kann man es umsetzen wieder live Musik zu machen.
Stockert wünscht sich einen respektvolleren Umgang und mehr Empathie untereinander. Gerade für die Branche speziell hoffe er, dass bei den Konsumenten der Waren, Dienstleistungen und Musik ein Umdenkprozess stattfindet und die Wertschätzung für Handgemachtes und Lokales wieder Einzug findet.
Livemusik ist auch im Weingut Weyell in Dexheim immer ein Programmpunkt gewesen. Gewesen!
Wolfgang Weyell hat hier ein Kultur-Mekka für Musik und Kultur geschaffen. Von Kabarett bist Konzerte ist „Kultur auf dem Hof“ jedem im Umkreis ein Begriff. Seit 25 Jahren lebt er für seinen Betrieb. Er muss zwar als Familienbetrieb keine Pacht oder Miete aufbringen, aber klar fehlen hier wichtige Einnahmen. Auch habe er das Gefühl, dass das Land und der Bund die Problematik der Veranstaltungsbranche auf dem Schirm hat - so konnte er November- und Dezemberhilfe beantragen. Weyell findet das schon gut, so wie es im Moment versucht wird, es sollen ja ab Sommer auch noch Ausfallgarantien des Bundes geplant sein, das muss man erst mal abwarten. Auch gibt es einige Programme von der Initiative Musik oder vom Kultursommer Rheinland-Pfalz, bei denen man sich bewerben kann. Zur Zeit prüft er da die Möglichkeiten und hofft, dass er eine Berücksichtigung bekommt.
Da die Hilfen aber leider nicht ganz ausreichen, versuchen sie sich mit ihrem Angebot „Essen to go“ zusätzlich über Wasser zu halten.
Das Live-Erlebnis fehlt einfach vorne und hinten. Es gibt eine Überlegung, Events auch online zu machen, was aber nicht die Erfüllung bringt, weil man immer das Gefühl hat, man macht nur halbe Sachen. Am meisten fehlen ihm die lachenden Gesichter der Zuschauer bei den Konzerten oder bei den Kabaretts. Auch der Kontakt zu den Künstlern und Besuchern fehlt, alleine schon so ein Satz: „Schön war es heute Abend bei euch“. Das tut gut zu hören, kommt zur Zeit aber leider nicht. Für 2021 hofft er wieder etwas in Richtung normalen Betrieb gehen zu können. Es wäre toll, wenn das Open-Air im Hof schon losgehen könnte. Das wird natürlich schwierig, deswegen die Überlegung, wenigstens das Eröffnungswochenende mit Live-Streams zu veranstalten.
Wolfgang Weyell spricht uns allen aus der Seele. Ob Eventler oder Verbraucher, das Veranstaltungsverbot, so wie es jetzt ist, ist nicht gut für das Gemüt.
Markus Appelmann ist Inhaber der gut aufgestellten inMEDIA Agentur aus Oppenheim.
Auch er merkt wie Corona seine Spuren hinterlässt. Er hat sich von Anfang an nicht auf die Hilfen konzentriert, sondern geschaut, wie können er und sein Team es aus eigener Kraft meistern. Eine Kombination, die die Eventler alle kennen. Einiges an Überstunden, einiges an Brain-Stormings und einiges an Gehirnschmalz. Er ist seinem Team dankbar, dass sie gemeinsam diesen Weg eingeschlagen haben. Von Partnern weiss er, dass manche immer noch auf die Novemberhilfe warten. Das Networking, wenn auch oft nur virtuell, ist in diesen Zeiten enorm wichtig. Und tatsächlich haben sich für ihn dadurch auch schon neue Türen geöffnet. Viele Kick-Off Events haben sie in den letzten Tagen mit virtuellem Abstand und digitaler Nähe für große Unternehmen gemanaged. Aber ganz ehrlich: es geht nichts über die Live-Begegnung. Das merkt er einfach immer wieder im neuen Alltag. Am meisten fehlen ihm die vielen Menschen, die tagtäglich um ihn herum waren. Bei SAT.1 sitze er jetzt im Einzelbüro, in der Agentur von inMEDIA ist die Mannschaft derzeit nur mit einer Notbesetzung im Büro. Den direkten Austausch werden virtuelle Wege nie ersetzen können.
Sie haben im letzten Jahr 90 Prozent ihrer Veranstaltungen über die Ziellinie gebracht – wenn auch in veränderter Form. Man muss versuchen neue Wege zu finden, um Corona-konform Events stattfinden zu lassen. Die Menschen wollen raus. Gerade im Outdoor-Eventbereich kann man das mit viel mehr Sicherheit planen. Sie arbeiten derzeit auf Hochtouren an Konzepten für ihre Events RheinWandern, RheinRun, RheinRadeln und Schlemmerwanderung.
Für dieses Jahr wünscht sich Markus Appelmann, dass die Eventbranche im Frühling und Sommer wieder an den Start gehen kann. Er freut sich auf ein Wiedersehen bei RheinWandern, RheinRun und RheinRadeln, bei der Schlemmerwanderung und all den vielen Highlights, die er derzeit mit angezogener Handbremse planen muss.
Was wird durch Corona bewusst? Richtig, diese Branche ist systemrelevant. Warum? Wochenende ist zum Entspannen da, Freunde treffen, ein Erlebnis haben, gutes Essen und Trinken, tolle Livemusik und kulturelle Events. Das alles ist echt selbstverständlich für viele, die nicht in der Branche arbeiten und nur konsumieren. Die Wertschätzung sollte hier nicht verloren gehen. Wir arbeiten, wenn ihr feiert!
Schaut doch mal rein unter:
Übrigens gab es eine informative Doku über die Eventbranche in der Region. Hier war auch MKon mit am Start. Klickt Euch mal rein unter: